Die drei Siebe

Einst kam ein Mann aufgeregt zu Sokrates. „Ich muss dir etwas über einen Freund erzählen, der …“
„Warte“, unterbrach Sokrates. „Bevor du weiter erzählst – hast du die Geschichte durch die drei Siebe gesiebt?“
„Welche drei Siebe?“ fragte der Mann überrascht. „Das erste Siebe ist das Sieb der Wahrheit. Bist du dir sicher, dass das, was du mir erzählen möchtest, wahr ist?“ „Nein, ich habe gehört, wie es jemand erzählt hat“ „Aber dann ist es doch sicher durch das Sieb des Guten gegangen? Ist es etwas Gutes, das du über meinen Freund erzählen möchtest?“ Zögernd antwortete der Mann: „Nein, das nicht. Im Gegenteil …“ „Hm“, sagte Sokrates, „Jetzt bleibt uns nur noch das dritte Sieb. Ist es notwendig, dass du es mir erzählst?“ „Nein, nicht wirklich“, antwortete der Mann. „Nun“, sagte Sokrates lächelnd, „wenn die Geschichte, die du mir erzählen möchtest, nicht wahr ist, nicht gut ist und nicht notwendig ist, dann vergiss sie besser und belaste mich nicht damit!“

Der weise Torwächter

In einer alten Stadt, weit von hier entfernt, arbeitete einmal ein Torwächter. Jeder, der durch das Tor in die Stadt wollte, begegnete zuerst dem Torwächter. Eines Tages kam ein Fremder an das Stadttor. Er fragte den Wächter: „Wie sind die Menschen in dieser Stadt? Ich würde hier gerne wohnen.“ Der Torwächter erwiderte: „Wie waren die Menschen in deinem Wohnort?“
“Ach,” sagte der Fremde, “wo ich herkomme sind die Menschen schlecht, böse, unfreundlich und gemein.“ Der Torwächter antwortete: „So sind sie hier auch.“

Einige Zeit später kam wieder ein Fremder bei dem Stadttor an. Auch er stellte die Frage an den Torwächter: „Wie sind die Menschen in dieser Stadt? Ich würde hier gerne wohnen.“ Und der Torwächter gab auch ihm dieselbe Frage zurück: „Wie waren die Menschen in deinem Wohnort?“
„Oh“, sagte der Mann. „sie sind eigentlich freundlich und hilfsbereit gewesen, wir lebten in Frieden miteinander.“
Da antwortete der Torwächter wiederum: „So sind die Menschen hier auch.“

Ein Mann, der die ganze Zeit in der Nähe stand, hatte beide Gespräche gehört. Er fragte den Torwächter: „Warum erzählst du zwei total verschiedene Dinge über die Menschen in unserer Stadt? Zu dem einen sagst du, dass sie schlecht und böse sind, während du dem anderen erzählst, dass jeder hier freundlich und gut ist.“

Der Torwächter antwortete: „Die Menschen hier sind gut und schlecht, sie können freundlich sein und sie können bösartig sein, sie können dir helfen und sie können gemein zu dir sein. Das hat damit zu tun, auf welche Weise du selbst mit den Menschen umgehst. Wenn du freundlich bist, wirst du auch Freundlichkeit empfangen. Und wenn du bösartig bist, wirst du auch Bösartigkeit zurückbekommen. Diese Fremden werden in unserer Stadt dasselbe erfahren, wie in ihrem eigenen Wohnort.“

 

Der gute Grund

Eine Frau bietet ein Seminar an und bereitet sich kein bisschen darauf vor. Das Seminar geht voll den Bach runter, und das hat sie geahnt. Warum hat sie sich nicht vorbereitet?
Ein Mann wird arbeitslos, ohne Aussicht auf neue Arbeit. Er schiebt die Kommunikation mit dem Arbeitsamt wochenlang vor sich her und riskiert so auch noch den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Warum?
Weil ihr die Freundin nach zwei Jahren Funkstille so fehlt, überwindet eine Frau sich endlich, sie wieder anzusprechen. Nach zwei Tagen bricht sie den Kontakt jedoch erneut ab. Wieso fragt sie nicht nochmal nach?
Für all diese offensichtlich selbst-sabotierenden Verhaltensweisen (die übrigens oft mit viel Scham besetzt sind) gibt es einen guten Grund. Wie es hinter allen seltsamen, unpassenden, blöden, und sogar hinter destruktiven Verhaltensweisen einen guten Grund gibt. Man kann auch sagen, ein unbefriedigtes Bedürfnis, ein verborgenes Anliegen, das uns – unbewusst – ebenso wichtig ist wie unsere bewussten Anliegen.
Indem die Frau, die das Seminar angeboten hat, sich nicht darauf vorbereitet, hat sie vor sich selbst einen Grund geschaffen, warum das Seminar scheitern musste – und es konnte nicht mehr daran liegen, dass sie unfähig gewesen wäre. So hat sie sich ihr letztes Restchen Selbstrespekt bewahrt.
Indem der Mann sich der Kommunikation mit dem Arbeitsamt entzogen hat, hat er sich seine Selbstbestimmung und Würde erhalten, die er nach seinem Empfinden in der Unterwerfung unter die Regeln der Arbeitslosigkeit verloren hätte.
Indem die Frau den Kontakt abbricht, vermeidet sie, eine mögliche Ablehnung durch die Freundin zu erleben und rettet damit ihre Souveränität.
Zu erkennen, welche guten Gründe hinter dem „bescheuerten“ Verhalten stecken, und diese Bedürfnisse ganz zu umarmen und in Besitz zu nehmen ermöglicht, andere, weniger kostspielige Wege zu finden, wie sie erfüllt werden können.

Selbstliebe

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid nur Warnung für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben. Heute weiß ich , das nennt man “Authentisch-Sein”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen. Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude bereitet, was ich liebe und mein Herz zum Lachen bringt, auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo. Heute weiß ich, das nennt man “Ehrlichkeit”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich verstanden, wie sehr es jemanden beschämt, ihm meine Wünsche aufzuzwingen, obwohl ich wusste, dass weder die Zeit reif, noch der Mensch dazu bereit war, auch wenn ich selbst dieser Mensch war. Heute weiß, das nennt man “Selbstachtung”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich mich von allem befreit was nicht gesund für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich das “gesunden Egoismus”, aber heute weiß ich, das ist “Selbstliebe”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen, und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war. Heute weiß ich, das nennt man “Reife”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen, so habe ich mich weniger geirrt. Heute habe ich erkannt, das nennt man “Einfach-Sein”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin und dass alles, was geschieht, richtig ist – von da konnte ich ruhig sein. Heute weiß ich, das nennt sich “Selbstachtung”.

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, da erkannte ich, dass mich mein Denken armselig und krank machen kann, als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte, bekam der Verstand einen wichtigen Partner, diese Verbindung nenne ich heute “Herzensweisheit”.

Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen, Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen fürchten, denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander und es entstehen neue Welten.

Heute weiß ich, das ist das Leben!

Charlie Chaplin

Ich habe noch nie einen faulen Mann gesehen

Ich habe noch nie einen faulen Mann gesehen;
ich habe schon mal einen Mann gesehen,
der niemals rannte, während ich ihm zusah,
und ich habe schon mal einen Mann gesehen,
der zwischen Mittag- und Abendessen manchmal schlief,
und der vielleicht mal zu Hause blieb an einem Regentag,
aber er war kein fauler Mann.

Bevor du sagst, ich wär‘ verrückt, denk’ mal nach, war er ein fauler Mann, oder hat er nur Dinge getan, die wir als „faul“ abstempeln?

Ich habe noch nie ein dummes Kind gesehen;
ich habe schon mal ein Kind gesehen,
das hin und wieder etwas gemacht hat, was ich nicht verstand,
oder etwas anders gemacht hat, als ich geplant hatte;
ich habe schon mal ein Kind gesehen, das nicht dieselben Orte kannte wie ich,
aber das war kein dummes Kind.

Bevor du sagst, es wäre dumm, denk‘ mal nach, war es ein dummes Kind, oder hat es einfach nur andere Sachen gekannt als du?

Ich habe mich so intensiv wie nur möglich umgesehen,
habe aber nirgendwo einen Koch entdecken können;
ich habe jemanden gesehen, der Zutaten kombiniert hat,
die wir dann gegessen haben.
Jemanden, der den Herd angemacht und aufgepasst hat,
dass das Fleisch auf dem Feuer gar wird.
Das alles habe ich gesehen, aber keinen Koch.

Sag‘ mir, wenn du hinschaust, ist das ein Koch, den du siehst, oder siehst du jemanden Dinge tun, die wir kochen nennen?
Was die einen faul nennen, nennen die anderen müde oder gelassen, was die einen dumm nennen, ist für die anderen einfach ein anderes Wissen. Ich bin also zu dem Schluss gekommen, dass es uns allen viel Wirrwarr erspart, wenn wir das, was wir sehen, nicht mit unserer Meinung darüber vermischen. Damit es dir nicht passiert, möchte ich noch sagen: Ich weiß, was ich hier sage, ist nur meine Meinung.

Song von Ruth Bebermeyer

Eines Tages bat eine Lehrerin ihre Schüler

Eines Tages bat eine Lehrerin ihre Schüler, die Namen aller anderen Schüler der Klasse auf ein Blatt Papier zu schreiben und ein wenig Platz neben den Namen zu lassen. Dann sagte sie zu den Schülern, sie sollten überlegen, was das Netteste ist, das sie über jeden ihrer Klassenkameraden sagen können und das sollten sie neben die Namen schreiben.

Es dauerte die ganze Stunde, bis jeder fertig war und bevor sie den Klassenraum verließen, gaben sie Ihre Blätter der Lehrerin. Am Wochenende schrieb die Lehrerin jeden Schülernamen auf ein Blatt Papier und daneben die Liste der netten Bemerkungen, die ihre Mitschüler über den Einzelnen aufgeschrieben hatten. Am Montag gab sie jedem Schüler seine oder ihre Liste. Schon nach kurzer Zeit lächelten alle.

„Wirklich?“, hörte man flüstern. „Ich wusste gar nicht, dass ich irgendjemandem was bedeute!“ und „Ich wusste nicht, dass mich andere so mögen“, waren die Kommentare.

Niemand erwähnte danach die Listen wieder.

Die Lehrerin wusste nicht, ob die Schüler sie untereinander oder mit ihren Eltern diskutiert hatten, aber das machte nichts aus. Die Übung hatte ihren Zweck erfüllt. Die Schüler waren glücklich mit sich und mit den anderen.

Einige Jahre später war einer der Schüler gestorben und die Lehrerin ging zum Begräbnis dieses Schülers. Die Kirche war überfüllt mit vielen Freunden. Einer nach dem anderen, der den jungen Mann geliebt oder gekannt hatte, ging am Sarg vorbei und erwies ihm die letzte Ehre. Die Lehrerin ging als letzte und betete vor dem Sarg. Als sie dort stand, sagte einer der Anwesenden, die den Sarg trugen, zu ihr: „Waren Sie Marks Mathematiklehrerin?“ Sie nickte: „Ja“. Dann sagte er: „Mark hat sehr oft von Ihnen gesprochen.“ Nach dem Begräbnis waren die meisten von Marks früheren Schulfreunden versammelt. Marks Eltern waren auch da und sie warteten offenbar sehnsüchtig darauf, mit der Lehrerin zu sprechen.

„Wir wollen Ihnen etwas zeigen“, sagte der Vater und zog eine Geldbörse aus seiner Tasche. „Das wurde gefunden, als Mark verunglückt ist. Wir dachten, Sie würden es erkennen.“ Aus der Geldbörse zog er ein stark abgenutztes Blatt, das offensichtlich zusammengeklebt, viele Male gefaltet und auseinander gefaltet worden war. Die Lehrerin wusste ohne hinzusehen, dass dies eines der Blätter war, auf denen die netten Dinge standen, die seine Klassenkameraden über Mark geschrieben hatten. „Wir möchten Ihnen so sehr dafür danken, dass Sie das gemacht haben“, sagte Marks Mutter. „Wie Sie sehen können, hat Mark das sehr geschätzt.“
Alle früheren Schüler versammelten sich um die Lehrerin. Charlie lächelte ein bisschen und sagte: „Ich habe meine Liste auch noch. Sie ist in der obersten Schublade in meinem Schreibtisch“. Die Frau von Heinz sagte: „Heinz bat mich, die Liste in unser Hochzeitsalbum zu kleben.“ „Ich habe meine auch noch“, sagte Monika. „Sie ist in meinem
Tagebuch.“ Dann griff Irene, eine andere Mitschülerin, in ihren Taschenkalender und zeigte ihre abgegriffene und ausgefranste Liste den anderen. „Ich trage sie immer bei mir“, sagte Irene und meinte dann:
„Ich glaube, wir haben alle die Listen aufbewahrt.“ Die Lehrerin war so gerührt, dass sie sich setzen musste und weinte. Sie weinte um Mark und für alle seine Freunde, die ihn nie mehr sehen würden.

Im Zusammenleben mit unseren Mitmenschen vergessen wir oft, dass jedes Leben eines Tages endet und dass wir nicht wissen, wann dieser Tag sein wird.

Deshalb sollte man den Menschen, die man liebt sagen, dass sie etwas Besonderes und Wichtiges sind. Denken Sie daran, dass man erntet, was man sät. Was man in das Leben der anderen einbringt, kommt auch ins eigene Leben zurück.

Der kleine Unterschied

Ein Mann traf ein kleines Mädchen, das am Strand auf und ab lief. Der Sturm hatte über Nacht mit den tosenden Wellen tausende von Seesternen ans Ufer getrieben. Da lagen sie, auf dem schwarzen Kies. Das Mädchen hob immer wieder welche auf und warf sie zurück ins Meer. Der Mann fragte sie: „Warum tust du das? Du wirst damit nie fertig werden. Hier liegen tausende von Seesternen herum. Sie werden sterben. Und es macht doch sowieso keinen Unterschied.“ „Vielleicht stimmt das, was du sagst“, antwortete das Mädchen. „Aber für diesen einen macht es einen Unterschied.“

Quelle unbekannt

Der Himmel

Zu einem Einsiedlermönch kam ein Ritter und bat: „Erkläre mir doch, ehrwürdiger Vater, den Unterschied zwischen Himmel und Hölle.“ Der Mönch antwortete: „So einem Drecksack wie dir erkläre ich gar nichts.“ Erbost zog der Ritter sein Schwert und brüllte: „Ich schlage dir den Kopf ab, du erbärmlicher Wicht!“ „Das“, sagte der Mönch, „ist die Hölle.“ Der Ritter hielt inne und wurde nachdenklich. Dann steckte er sein Schwert wieder ein, verbeugte sich und dankte für die Unterweisung. „Und das“, sagte der Mönch, „ist der Himmel“.

Der Prophet und die langen Gabeln

Ein Rechtgläubiger kam zum Propheten. Ihn bewegte die Frage nach Hölle und Himmel, wollte er doch seinen Lebensweg danach gestalten. »Wo ist die Hölle – wo ist der Himmel? « Mit diesen Worten näherte er sich dem Propheten, doch dieser antwortete nicht. Er nahm den Fragesteller an der Hand und führte ihn durch dunkle Gassen in einen Palast. Durch ein Eisenportal betraten sie einen großen Saal. Dort drängten sich viele Menschen, arme und reiche, in Lumpen gehüllte, mit Edelsteinen geschmückte. In der Mitte des Saales stand auf offenem Feuer eine grosse Schale mit auserlesenen Speisen. Diese verbreiteten einen angenehmen Duft im Raum. Um die Schale herum drängten sich hohlwangige und tiefäugige Menschen, von denen jeder versuchte, sich seinen Teil der Speise zu sichern. Der Begleiter des Propheten staunte, denn das Besteck, von dem jeder dieser Menschen eines trug, waren so lang wie sie selbst. Es war eine schön verzierte Gabel. Gierig stocherten die Hungrigen in der Schale herum und es gelang dem einen oder andern ein leckeres Stück aufzuspiessen. Jeder wollte seinen Teil, doch keiner bekam ihn. Mit Mühe hoben sie die lange Gabel hoch, da diese aber zu lang war, bekam sie auch der Grösste nicht in den Mund. Gar zu Vorwitzige verbrannten sich Arme und Gesicht oder versuchten zwei bis drei Stücke miteinander aufzuspiessen. Schimpfend gingen sie aufeinander los und schlugen sich mit denselben Gabeln, mit deren Hilfe sie ihren Hunger hätten stillen können. Der Prophet faßte seinen Begleiter am Arm und sagte: »Das ist die Hölle!« Sie verließen den Saal und hörten das höllische Geschrei bald nicht mehr. Nach langer Wanderung durch finstere Gänge traten sie in einen weiteren Saal ein. Auch hier saßen viele Menschen. In der Mitte Saales eine grosse Schale mit auserlesenen Speisen. Jeder der Anwesenden hatte wieder eine jener riesigen Gabeln in der Hand, die der Prophet und sein Begleiter schon in der Hölle gesehen hatten. Aber die Menschen waren hier wohlgenährt und man hörte in dem Saal nur ein leises, zufriedenes Summen und das Geräusch des Besteckes. Die Menschen halfen einander zu essen: Einer spiesste etwas Leckeres auf und reichte es seinem Gegenüber sorgfältig zum Mund, so daß jeder in Ruhe essen konnte und satt wurde. Alle waren zufrieden! Der Prophet sagte zu seinem Begleiter: »Das ist der Himmel!«

Quelle unbekannt

Der Kongress der Regenwürmer

Die Regenwürmer hatten einen Kongress einberufen. Es war ein moderner Kongress. Darum hieß er nicht der Kongress der Regenwürmer, sondern der K.d.R. Der K.d.R tagte im Garten an einer recht staubigen Stelle. Es würden nur Fragen der Bodenkultur erörtert. Weiter geht der Horizont der Regenwürmer nicht. Sie kriechen auf der Erde und essen Erde. Es sind arme bescheidene Leute, aber sie sind nützlich und notwendig. Die Erde würde ohne sie nicht gedeihen. ihre Arbeit muss verrichtet werden.

Es war Abend. Die Dämmerung lag auf den Wegen, auf denen der K.d.R zusammengekrochen war. Ein langer alter Regenwurm hatte den Vorsitz übernommen. Er besprach Fragen lokaler Natur, die Bodenverhältnisse des Gartens, in dem man arbeitete, Es waren erfreuliche Resultate, »Wir sind schon recht tief in die Erde eingedrungen«, sagte der Präsident des K.d.R »Wir haben viele Erdschichten an die Oberfläche befördert, von denen niemand vorher etwas wusste. Wir haben sie zerlegt und zerkleinert. Aber die Erde scheint noch tiefer zu sein, als wir dachten. Sie scheint noch mehr zu bergen, als wir heraufgeschafft haben. Wir müssen fleißig weiter überall herumkriechen und Erde essen. Es ist eine große Aufgabe. Damit schließe ich den K.d.R. «

Er ringelte sich verbindlich. Der offizielle Teil des K.d.R. war erledigt. Man bildete zwanglose Gruppen mit Nachbarn und Freunden und sprach über die Praxis der Gliederbildung. Man wollte allerseits lang werden. Darin sah man den Fortschritt. Neue Methoden hierfür waren stets von Interesse. »Die allerneueste Methode, lang zu werden«, sagte ein junger Regenwurm, »heißt ‚Ringle dich mit dem Strohhalm‘ Das stärkt die Muskeln und zieht die Glieder auseinander. Sehen Sie – so! « Er tastete nach einem Strohhalm und demonstrierte die neue Methode energisch und mit Überzeugung. Dabei stieß er  etwas an. Er fühlte, dass es rauh und haarig war. »Nanu, was ist denn das? Das hat ja Haare und bewegt sich!? « Er ringelte sich ängstlich vorn Strohhalm los. »Verzeihen Sie, ich war so müde. Da hab ich mich auf den Strohhalm gesetzt«, sagte das Etwas mit Haaren. »Wer sind Sie denn?« fragte der Regenwurm und kroch vorsichtig wieder näher. »Ich bin Raupe von Beruf. Ich bitte mich gewiss nicht auf den Strohhalm gesetzt, aber ich bin so sehr müde. ich habe einen so langen Weg hinter mir. ich bin immer im Staub gekrochen Nur selten fand ich etwas Grünes. Ich bin ein bißchen schwächlich, schon von Kind an. Es ist auch so angreifend, bei jedem Schritt den Rücken zu krummen. jetzt kann ich nicht mehr. Ich bin zu müde. Sterbensmüde.. «

Die Raupe war ganz verstaubt und erschöpft. ihre Beinstummel zitterten. Der gesamte K.d.R. kroch teilnahmsvoll heran. »Sie müssen sich stärken«, sagte ein Regenwurm freundlich. »Sie müssen etwas Erde zu sich nehmen.« »Nein danke«, sagte die Raupe, »ich bin zum Essen zu müde. mir ist überhaupt so sonderbar. Ich will nicht mehr auf der Erde kriechen. « »Aber ich bitte Sie«, sagte der Präsident des K.d.R. »Das ist das Leben, daß man auf der Erde kriecht und Erde ißt. Wenn man das nicht mehr kann, stirbt man. Man soll aber leben und recht lang werden, ich kann ihnen verschiedene Methoden empfehlen. Es ist Makrobiotik. «

»Ich glaube, dass man nicht stirbt“, sagte die Raupe. „Wenn man zu müde ist und nicht mehr auf der Erde kriechen kann, verpuppt man sich, und nachher wird man ein bunter Falter. Man fliegt im Sonnenlicht und hört die Glockenblumen läuten. Ich weiß zur nicht, wie man es macht Ich bin auch viel zu müde, um darüber nachzudenken.«

Die Regenwürmer ringelten sich aufgeregt und ratlos durcheinander. »Fliegen? – Sonnenlicht? – Was heißt das? – So was gibt’s doch gar nicht! – Sie sind wohl krank?« »Sie gebrauchen solche kuriosen Fremdworte«, sagte der Präsident des K.d.R. »Ihnen ist einfach nicht wohl!«

Die Raupe antwortete nicht mehr. Sie war zu müde. Sterbens, müde. Sie klammerte sich an den Strohhalm. Dann wurde es dunkel um sie. Aus ihr heraus aber spannen sich feine Fäden und spannen den verstaubten sterbensmüden Körper ein. »Das ist ja eine schreckliche Krankheit! « sagten die Regenwürmer. »Es ist ein Phänomen«, sagte der Präsident des K.d.R »Wir wollen es beobachten.« Einige Kapazitäten nickten zustimmend mit den Kopfringeln. Es vergingen Wochen. Der Präsident des K.d.R. und die Kapazitäten krochen täglich an das Phänomen heran und betasteten es. Das Phänomen sah weiß aus. Es war ganz versponnen und lag regungslos am Boden.

Endlich, in der Frühe eines Morgens, regte sich das versponnene Ding. Ein kleiner bunter Falter kam heraus und sah mit erstaunten Augen um sich. Er hielt die Flügel gefaltet und verstand nicht, was er damit sollte. Denn er hatte vergessen, was er als Raupe geglaubt und gehofft hatte – und wie müde er gewesen war, sterbensmüde… Die Flügel aber wuchsen im Sonnenlicht. Sie worden stark und farbenfroh. Da breitete der Falter die Schwingen aus und flog weit über die Erde ins Sonnenlicht hinein. Die Glockenblumen läuteten. Unten im Staube tagte der K.d.R. Man hatte die leere Hülle gefunden, und alle Kapazitäten waren zusammengekrochen. »Es ist nur ein Mantel! « sagte die erste Kapazität enttäuscht. »Die Krankheit ist allein zurückgeblieben«, sagte die zweite Kapazität. »Der Mantel ist eben die Krankheit«, sagte die dritte Kapazität. Hoch über ihren blinden Köpfen gaukelte der Falter in der blauen sonnigen Luft. »Nun ist es ganz tot«, sagten die Regenwürmer. »Resurrexit, er ist auferstanden!« sangen tausend Stimmen im Licht.

von Manfred Kyber

Die Blinden und der Elefant

In einem fernen Land stritten sich die Gelehrten einmal darüber, was Wahrheit ist.
Der König, ein wirklich weiser Mann, rief daraufhin einige Blinden zu sich und bat sie, einen Elefanten zu betasten. Danach fragte er, was denn ein Elefant ist.
Der Blinde, der die Ohren berührt hatte, sagte, dass ein Elefant groß und platt ist, derjenige,
der den Rüssel berührt hatte, sagte, dass ein Elefant lang und rund wie ein Rohr ist.
„Nein, das stimmt nicht“, rief ein anderer, „ein Elefant ist so stämmig wie eine Säule“.
Dieser Blinde hatte die Beine betastet. Der vierte Blinde berichtete, dass seiner Meinung nach ein Elefant lang und glatt und am Ende spitz ist. Er meinte damit die Stoßzähne.
Schließlich unterbrach der König sie und sagte: „Ihr habt alle recht, aber jeder hat nur ein kleines Stück des Elefanten beschrieben. Genauso ist es mit der Wahrheit:
Was wir sehen oder wahrnehmen, ist oft nur ein kleiner Teil dessen, was wirklich ist.“

Der Hahn und die Sonne

Es herrscht große Aufregung im Hühnerstall:
Der Hahn ist krank, er hat keine Stimme mehr und kann morgen früh nicht krähen, wenn die Sonne aufgeht. Die Hühner laufen gackernd wild durcheinander, denn wenn ihr Herr und Meister morgen früh nicht krähen kann, geht die Sonne nicht auf.
Sie denken, dass der Hahn durch sein Krähen die Sonne ruft und haben Angst, dass es am nächsten Tag dunkel bleiben wird.
Am nächsten Morgen steigt die Spannung immer mehr und mehr. Der kranke Hahn erklimmt schließlich mit viel Mühe den hohen Misthaufen und öffnet seinen Schnabel, um zu krähen, aber es gelingt ihm nicht. Er versucht es nochmals und nochmals, aber ohne Erfolg. Inzwischen geht die Sonne auf.
Die Hühner sind fassungslos, denn die Sonne erscheint, auch ohne den Ruf ihres Meisters!
Sie verjagen den Hahn, den großen Betrüger des Hühnerstalles.

Am nächsten Morgen schlafen die Hühner, während die Sonne aufgeht, denn es gibt keinen Hahn, der sie wachruft, um das Wunder des Sonnenaufganges zu erleben.

 

Quelle: www.sinnige-geschichten.de

Der deplatzierte Adler

Ein Bauer fing einmal einen jungen Adler. Zuhause angekommen setzte er ihn zu seinen Hühnern und gab ihm Hühnerfutter zu essen. Fünf Jahre später kam ein Naturforscher bei ihm zu Besuch. Während sie durch den Garten liefen, sagte er: „Dieser Vogel ist ein Adler, kein Huhn.“
„Ja,“ sagte der Eigentümer, „aber ich habe ein Huhn aus ihm gemacht. Es ist nun kein Adler mehr.“
„Es ist doch ein Adler,“ sagte der Naturfreund, „das werde ich dir zeigen.“
Der Naturforscher hob den Adler auf, hielt ihn hoch und sagte mit Nachdruck: „Adler, du bist ein Adler. Du gehörst in die Luft und nicht auf die Erde, spann deine Flügel aus und fliege!“
Doch als der Adler sah, wie die Hühner ihr Futter aufpickten, sprang er nach unten.
Der Besitzer sagte: „Ich habe dir doch bereits gesagt, dass er jetzt ein Huhn ist.“
„Nein,“ sagte der Naturforscher, “es ist ein Adler und das werde ich beweisen.“
Am nächsten Morgen nahm er den Adler mit auf das Dach des Hauses und sagte: „Adler, du bist ein Adler, spreiz deine Flügel und fliege!“
Doch wieder sprang der Adler, als er die Hühner picken sah, nach unten und begann, mit ihnen zusammen zu essen.

Der Besitzer sagte: “Ich habe dir doch gesagt, dass er ein Huhn ist.“
„Nein, er ist ein Adler! Er hat noch immer das Herz von einem Adler. Gib ihm noch eine Chance.”
Am folgenden Morgen nahm er den Adler mit auf einen hohen Berg. Dort hob er den Adler hoch und sagte zu ihm: „Adler, du bist ein Adler, du gehörst in die Luft, spreiz deine Flügel und fliege!“
Auf einmal spannte der Adler seine Flügel aus und mit einem befreiten Schrei stieg er auf, immer höher und höher und kehrte nie wieder zurück.