Lebe deine Träume von Paulo Coelho

Ich erinnere mich an den Brief, in dem der amerikanische Verlag HarperCollins mir ankündigte, dass sie meinen ersten Roman veröffentlichen wollten: “Den ‘Alchimisten’ zu lesen ist wie im Morgengrauen aufstehen und dem Sonnenaufgang zusehen, während der Rest der Welt noch schläft.”

Ich ging hinaus, schaute in den Himmel und versuchte mir klarzumachen: “Der Alchimist” wird übersetzt werden. Damals kämpfte ich noch darum, mir als Schriftsteller einen Namen zu machen. Allmählich wurde mein Traum Wirklichkeit: Zehn, hundert, tausend, eine Million Exemplare wurden in den USA verkauft. Das Buch wurde in 61 Sprachen übersetzt, mehr als 30 Millionen Mal verkauft und die Leute begannen sich zu fragen: “Was ist das Geheimnis dieses Erfolges?” Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ich weiß nur, dass wir wie der Hirtenjunge Santiago unserer Bestimmung folgen sollen.

Was aber ist unsere Bestimmung? Sie ist Gottes Segen, sie ist der Weg, den Gott für jeden Einzelnen gewählt hat. Jedesmal, wenn wir etwas tun, das uns mit Begeisterung erfüllt, folgen wir unserer Bestimmung. Dennoch haben wir nicht alle den Mut, unsere Bestimmung, unseren Lebenstraum umzusetzen.

Warum? Es gibt vier Hindernisse. Zuerst einmal wird uns als Kind weisgemacht, dass Träume nie Wirklichkeit werden. Je älter wir werden, desto mehr wird unser Lebenstraum von unseren Vorurteilen und Ängsten zugeschüttet. Irgentwann ist er so tief in unserer Seele vergraben, dass er zwar vorhanden, aber nicht mehr sichtbar ist.

Selbst wenn wir den Mut aufbringen, unseren Traum wieder auszugraben, stoßen wir auf ein zweites Hindernis: die Liebe. Wir fürchten, die Menschen, die uns nahestehen, zu verletzen, wenn wir alles darangeben, unserem Traum zu folgen. Dabei übersehen wir, dass die Liebe uns keineswegs von unserem Weg abhalten will, sondern im Gegenteil ein zusätzlicher Ansporn ist, und dass diejenigen, die uns von Herzen wohl wollen, uns glücklich sehen möchen und bereit sind, uns auf dieser Reise zu begleiten.

Wenn wir erst begriffen haben, dass die Liebe ein Ansporn ist, taucht das dritte Hindernis auf: die Angst vor den Niederlagen, die wir auf unserem Weg erleiden könnten. Wir, die wir für unseren Traum kämpfen, leiden weit mehr als andere, und wenn wir scheitern, können wir uns nicht auf die altbekannte Tour hinausreden: “Na ja, so wichtig war es mir nun auch wieder nicht.”

Unser Lebenstraum ist uns wichtig, wir tun alles dafür und wissen , dass der Weg, den wir gewählt haben, nicht einfacher ist als anderen Wege. Zudem haben wir uns von ganzem Herzen dieser Reise verschrieben. Wir sind Krieger des Lichts, wir müssen uns in schwierigen Zeiten mit Geduld wappnen und dürfen nie vergessen, dass wenn wir etwas ganz fest wollen, das gesamte Universum dazu beitragen wird, dass wir es auch erreichen – selbst wenn wir dies zuerst nicht begreifen.

Ich frage mich. Sind Niederlagen notwendig? Nun, wirklich notwendig sind sie nicht, aber sie kommen vor. Wir haben keine Erfahrung und machen viele Fehler, wenn wir den Kampf um unseren Traum beginnen. Das Geheimnis des Lebens besteht jedoch darin, siebenmal hinzufallen und achtmal aufzustehen.

Warum ist es aber so wichtig, dass wir unseren persönlichen Lebentraum verfolgen, wenn wir deshalb mehr als andere leiden müssen? Aus dem einfachen Grund, dass wenn wir die Niederlagen erst verwunden haben – und das tun wir immer -, wir von einer größeren Freude und von größerem Selbstvertrauen erfüllt sein werden. Tief in unserem Herzen wissen wir, dass wir uns des Wunders des Lebens würdig erweisen.

Jeder Tag, jede Stunde ist Teil des guten Kampfes. Wir beginnen voller Begeisterung und voller Freude zu leben. Unerwartetes, heftiges Leiden geht schneller vorüber als scheinbar erträgliches, das jahrelang andauert und uns kaum bewusst wird. Es nagt so lange an unserer Seele, bis wir eines Tages ganz verbittern und das Leid uns bis ans Ende unseres Lebens begleitet.

Wenn wir erstens unseren Traum ausgegraben und zweitens die Macht der Liebe dazu genutzt haben, ihn zu nähren, und wenn drittens die im Laufe der Jahre erlittenen Verletzungen vernarbt sind, dann stellen wir fest, dass das, was wir immer so fest wollten, plötzlich in Reichweite gerückt ist. An diesem Punkt taucht das vierte Hindernis auf: die Angst, den Traum erfüllt zu sehen.

Oscar Wilde hat einmal gesagt: “Jeder Mensch tötet, was er liebt.” und das stimmt. Allein der Gedanke, unser Traum könnte sich verwirklichen, erfüllt uns mit Schuldgefühlen. Wir blicken um uns und sehen all jene, die nicht erreicht haben, was sie wollten, und finden dann, auch wir seien es nicht wert, zu erreichen, was wir wollen. Wir vergessen all die Hindernisse, die wir überwunden haben, alles, was wir aufgeben mussten, um bis hierher zu gelangen.

Ich kenne viele Menschen, die in dem Augenblick, in dem die Erfüllung ihres Lebenstraums unmittelbar bevorstand, dumme Fehler gemacht und ihr Ziel nicht erreicht haben, obwohl es nur noch einen Schritt weit entfernt lag. Dqs vierte ist das gefährlichste Hindernis, weil es von einer heiligen aura des Verzichts umgeben ist – des Verzichts auf Freude und auf das Hochgefühl dessen, der sich etwas erobert.

Doch wenn du dich selbst der Dinge, um die du gekämpft hast, für würdig erachtest, dann wirst du zu einem Werkzeug Gottes, dann hilfst du der Weltenseele und begreifst, warum du hier bist.

Reflektionsfragen von Katrin Linzbach

Was ist deine Bestimmung? Welcher Lebenstraum liegt tief in deiner Seele begraben?
Schreibe dir auf, welche Dinge deines Alltags du mit Begeisterung tust und überlege, wie du noch mehr davon in dein Leben holen kannst
Wenn du dabei bist, deinen Traum zu leben, an welchem Hindernis stehst du gerade? Hast du Angst, die nahe stehende Menschen zu verletzten? Hast du Angst vor der Niederlage? Oder hast du Angst vor Erfolg?
Werde dir dessen bewusst und mache dir klar – diese Schritte gehören dazu.